Oberster Gerichtshof der USA erlaubt Trump die Abschiebung von über einer halben Million legaler Einwanderer

Ein Osprey-Hubschrauber der US-Marines überfliegt am 31. Januar 2025 die Grenze nahe San Diego [AP Photo/Jae C. Hong]

Am 30. Mai gab der Oberste Gerichtshof der USA mit einer 7–2-Entscheidung dem Antrag der Trump-Regierung statt, die einstweilige Verfügung einer unteren Instanz aufzuheben, welche die Beendigung des humanitären Parole-Programms für Immigranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela (CHNV) verhindert hatte. Diese Entscheidung erlaubt der Trump-Regierung faktisch, mehr als eine halbe Million Menschen in Länder abzuschieben, für die derzeit US-Sanktionen oder -Handelseinschränkungen bestehen.

Diejenigen, denen jetzt die Abschiebung droht, leben aufgrund des CHNV-Programms, das die Biden-Regierung im Januar 2023 eingeführt hatte, legal in den USA. Bis 2025 waren etwa 211.000 Personen aus Haiti in die USA eingereist, dazu kommen 160.000 aus Venezuela, etwa 87.000 aus Kuba und 73.000 aus Nicaragua.

Um für das Programm in Frage zu kommen, mussten die Antragsteller einen gültigen Reisepass und einen finanziellen Unterstützer in den USA vorweisen sowie umfassende biografische und biometrische Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen. Außerdem durften sie nicht in einem anderen Land ansässig sein oder die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.

Auch die Unterstützer von CHNV-Einwanderern mussten eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Sie mussten US-Staatsbürger oder rechtmäßiger Einwohner sein und der Regierung Finanzunterlagen vorlegen, um nachzuweisen, dass sie ein ausreichendes Einkommen haben.

Im Rahmen dieses Programms konnten Einwanderer für zwei Jahre legal in den USA leben und arbeiten und eine Social-Security-Nummer beantragen. Das Programm bot zwar noch keinen „Weg zur Staatsbürgerschaft“, allerdings konnten Einwanderer, denen der CHNV-Bewährungsstatus zuerkannt wurde, nach zwei Jahren andere Formen des Schutzes, wie Asyl, beantragen.

In der abweichenden Meinung der Richterin Ketanji Brown Jackson vom Freitag, der sich Richterin Sonia Sotomayor anschloss, heißt es, die Anwälte der Immigranten hätten nachgewiesen, dass ihnen „wahrscheinlich greifbarer, unmittelbarer und beträchtlicher Schaden entsteht, wenn dieses Gericht dem Antrag stattgibt und die einstweilige Verfügung aussetzt“.

Der Oberste Gerichtshof in der Zusammensetzung vom 30. Juni 2022 bis heute. Vordere Reihe, von links nach rechts: Sonia Sotomayor, Clarence Thomas, John G. Roberts, Samuel A. Alito, Elena Kagan. Hintere Reihe, von links nach rechts: Amy Coney Barrett, Neil M. Gorsuch, Brett M. Kavanaugh und Ketanji Brown Jackson [Photo: Fred Schilling, samling av USAs Høyesterett]

Sie wies darauf hin, dass die Einwanderer, die das Programm in Anspruch nehmen, „sich in amerikanische Nachbarschaften und Gemeinden integriert haben, in der Hoffnung, schließlich einen langfristigen legalen Status zu erhalten“.

Jackson schrieb, die Regierung habe nicht nachgewiesen, welche Schäden es verursachen würde, wenn die einstweilige Verfügung der Vorinstanz aufgehoben würde. Die Anwälte der Immigranten hätten „irreparable Schäden“ belegt, wenn die Aussetzung gewährt wird.

Sie schrieb: „Das Gericht hat jetzt offenbar entschieden... dass es im öffentlichen Interesse liegt, wenn das Leben einer halben Million Einwanderer aus den Fugen gerät, bevor die Gerichte über ihre Rechtsansprüche entscheiden.“

Zum Schluss erklärte sie:

Selbst wenn es wahrscheinlich wäre, dass das Gesetz der Regierung erlaubt, auf diese Weise den Bewährungsstatus zu beenden, würde ich zuerst die Gerichte über dieses höchst folgenschwere juristische Problem entscheiden lassen... Stattdessen erlaubt der Gerichtshof der Regierung, zu tun, was sie will; er erklärt damit rechtliche Beschränkungen für irrelevant und verursacht dabei verheerende Folgen.

In einer Rede im Weißen Haus an der Seite des faschistischen Milliardärs Elon Musk begrüßte Präsident Donald Trump die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs am Freitag und erklärte, es sei „sehr wichtig für die Zuwanderung, dass wir in der Lage sind, Menschen ohne langes Gerichtsverfahren auszuweisen“.

Der angehende Diktator machte deutlich, dass er die Entscheidung von Freitag nutzen will, um sich noch weiter über das Recht aller auf ein ordentliches Verfahren hinwegzusetzen: „Wir können sie nicht jahrelang hier behalten, während wir Prozesse führen. Wir müssen sie schnell rausbekommen.“

Er fügte hinzu: „Und wir wissen, wer sie sind, und wir sind deshalb sehr vorsichtig.“

Das CHNV-Programm stellte eine Erweiterung einer früheren Initiative mit der Bezeichnung Temporary Protected Status (TPS) dar, die von der Biden-Regierung im Oktober 2022 für Venezolaner eingeführt wurde. Anfang Mai hatte der Oberste Gerichtshof eine einstweilige Verfügung einer unteren Instanz aufgehoben, mit der die Trump-Regierung daran gehindert wurde, den TPS-Schutz für etwa 350.000 venezolanische Einwanderer aufzuheben. Genau wie bei dem Eilantrag von Freitag begründete die Mehrheit ihre Entscheidung nicht.

Um sich die Stimmen der Republikaner für die fast 100 Milliarden Dollar Militärhilfe für Israel, die Ukraine und Taiwan im letzten Jahr zu sichern, hatten Biden und die Demokraten versucht ein „Grenzpaket“ auszuhandeln, das den Abschiebeapparat der Einwanderungsbehörde stark ausweiten und keinen zusätzlichen Schutz für Einwanderer in den CHNV- und TPS-Programmen bieten würde.

Jetzt, weniger als 150 Tage nach Trumps Amtsantritt, müssen 900.000 Arbeiter und ihre Familien befürchten, von einer militarisierten Einwanderungs-Gestapo entführt, in gewinnorientiert betriebenen Gefängnissen eingesperrt und in ein Land abgeschoben zu werden, in dem sie vielleicht seit Jahren nicht mehr waren – oder noch nie – und wo ihnen politische Verfolgung, Bandengewalt oder von den USA unterstützte private militarisierte Unterdrückung droht.

Bis zum Samstagmorgen hat kein wichtiger Demokrat, weder die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez oder der Vermonter Senator Bernie Sanders, die jüngste einwandererfeindliche Entscheidung des Gerichtshofs verurteilt.

Während Trumps geplante Massenabschiebungen im Obersten Gerichtshof und beiden Parteien des Großkapitals breiten Rückhalt genießen, sind Millionen Menschen in den USA empört über das tägliche Unrecht, das Verschwindenlassen und die Entführungen ihrer Freunde, Familienmitglieder und Kollegen.

In New York City löste die Verhaftung des 20-jährigen Dylan Josue Lopez Contreas Anfang des Monats massive Empörung aus. Der junge Mann aus Venezuela, seine Mutter und zwei jüngere Geschwister waren legal in die USA eingereist und hatten die App One der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) unter der Regierung Biden benutzt.

Obwohl Dylan den Rechtsweg befolgte, wurde er verhaftet, als er am 21. Mai zu einer obligatorischen Anhörung wegen seines Immigrantenstatus erschien.

Dylans Mutter Raiza erklärte gegenüber Chalkbeat: „Das wirkt wie ein schmutziges Spiel von ihnen. Wenn jemand vor einem Richter erscheint, dann deshalb, weil er keine Vorstrafen hat und das Richtige tun will. ... Das Einzige, was er will, ist studieren.“

Dylan besuchte die High School der Ellis Prep Academy und war dabei, Asyl zu beantragen. Er hatte zwar bereits die Highschool in Venezuela abgeschlossen, sich aber dennoch an der Ellis eingeschrieben, um sein Englisch zu verbessern, da er aufs College wollte.

Nach Dylans Verhaftung protestierten am Dienstag etwa 500 Highschool-Schüler in New York City gegen seine Verhaftung. Am Mittwoch wurden 23 Personen vor dem US-Einwanderungsgericht in Lower Manhattan festgenommen, als sie gegen die Verhaftung Dylans und anderer Einwanderer protestierten.

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Alle Arbeiter müssen Widerstand gegen die von beiden Parteien unterstützte Massenabschiebungskampagne leisten. Die militarisierten Maßnahmen und die Missachtung des Rechtsstaatsprinzips, die heute gegen Einwanderer zum Einsatz kommen, werden auch gegen streikende Arbeiter und alle jene angewandt werden, die gegen die Herrschaft der Finanzoligarchie protestieren.

Die Verteidigung der Einwanderer erfordert einen vollständigen Bruch mit beiden Parteien des Großkapitals und dem kapitalistischen System, das auf dem veralteten und historisch bankrotten Rahmen des Nationalstaats beruht. In einer Welt der globalisierten Produktion muss es den Arbeitern erlaubt sein, dort zu leben und zu arbeiten, wo sie wollen, und zwar mit vollen staatsbürgerlichen Rechten.

Die Behauptungen der herrschenden Klasse, für Nahrungsmittel, Wohnungen und Bildung sei „kein Geld da“, sind eklatante Lügen. Die Steuersenkungen in Billionenhöhe, die Trump und die Republikaner vorgeschlagen haben, und der Verteidigungshaushalt von einer Billion Dollar, den beide Parteien bewilligt haben, muss zur Erfüllung der sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung umgewidmet werden. Dies ist nur möglich durch eine Massenbewegung der Arbeiterklasse, die auf der Grundlage des internationalen Sozialismus und des Aufbaus einer Weltwirtschaft organisiert ist, die sich an den Bedürfnissen der Vielen und nicht an den Privilegien der Wenigen orientiert.