Der heutige Schulstreik gegen die Wehrpflicht, an dem sich tausende Schülerinnen und Schüler beteiligen, ist ein wichtiger Schritt, den Kampf gegen Militarisierung und Krieg zu entwickeln. Aber die Organisatoren setzen alles daran, die zentrale Frage – die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung durch die Bundesregierung – aus den Protesten herauszuhalten und sie auf die unmittelbarsten Dinge zu beschränken. Sie sind sogar bereit, mit militaristischen Kräften zusammenzuarbeiten, wenn sie Lippenbekenntnisse gegen die allgemeine Wehrpflicht abgeben.
Auf diese Weise kann überhaupt nichts erreicht werden. Solange die deutschen Eliten aufrüsten wie seit Hitler nicht mehr, den schrecklichen Völkermord in Gaza unterstützen und wieder offen Krieg gegen Russland planen, wird auch die Wehrpflicht wieder eingeführt werden. Daran lassen CDU und SPD mit ihrem Gesetzentwurf zum „Neuen Wehrdienst“ keinen Zweifel. Das Gesetz sieht ausdrücklich eine verpflichtende Erfassung, Musterung und – sobald die Zahl der „Freiwilligen“ nicht ausreicht – Einberufung vor, um die militärischen Personalziele zu erfüllen.
Der Kampf gegen die Wehrpflicht erfordert einen Kampf gegen Krieg und Militarismus und gegen deren Wurzel: den Kapitalismus. Wir rufen deshalb alle Teilnehmer der Streiks auf: lest und verbreitet diesen Aufruf und beteiligt Euch aktiv am Aufbau einer internationalen, sozialistischen Anti-Kriegsbewegung!
Wir sagen Nein zur Wehrpflicht – egal in welcher Form, egal zu welchem Zeitpunkt! Wir sind kein Kanonenfutter für die Profite der Reichen!
Die Rückkehr der Wehrpflicht ist Teil der Militarisierung der ganzen Gesellschaft. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs will die deutsche Regierung wieder eine ganze Generation in Reih und Glied marschieren lassen, bereit, ihr Leben für die Wirtschaftsinteressen der herrschenden Klasse zu opfern. Die Regierung aus Union und SPD treibt die Wiederaufrüstung aggressiv voran.
Die Bundeswehr soll zur größten konventionellen Landarmee Europas ausgebaut werden. Die Regierung plant, die Truppenstärke um rund 80.000 Soldaten zu erhöhen und einen zusätzlichen Reservistenpool von mehreren hunderttausend Menschen aufzubauen. Mit dem neuen Wehrdienstgesetz schafft sie die rechtliche Infrastruktur, um diese massive Aufstockung der Streitkräfte durch verpflichtende Musterung und spätere Einberufungen sicherzustellen. Die deutschen Rüstungsausgaben erreichen bereits historische Rekordhöhen, durch den „Neuen Wehrdienst“ nochmals massiv gesteigert, damit die geplanten Truppen- und Materialsteigerungen finanziert werden können.
Es geht dabei nicht um „Selbstverteidigung“. Der reaktionäre Einmarsch Russlands in die Ukraine ändert nichts daran, dass die imperialistischen Mächte diesen Krieg über Jahre hinweg systematisch heraufbeschworen haben. Seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 hat die NATO – entgegen allen Zusicherungen an Moskau – ihre Grenzen Schritt für Schritt nach Osten verschoben und Russland militärisch eingekreist. Berlin spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die deutsche Regierung knüpft bei der Aufrüstung an ihre historischen Kriegsziele aus zwei Weltkriegen an. Erklärtes Ziel ist es, dass Deutschland 80 Jahre nach der katastrophalen Niederlage von Hitlers Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg einen Krieg gegen die Atommacht Russland gewinnen kann. Das bedeutet für uns das gleiche Schicksal, das Jugendliche damals oder heute in der Ukraine und Russland erleiden: Zwangsrekrutierung, Schützengräben und Tod.
Zu welcher Barbarei die Herrschenden bereit sind, und dass es ihnen nicht um „Demokratie“ und „Menschenrechte“ geht, demonstrieren sie bereits in Gaza: Seit fast zwei Jahren beteiligt sich die Bundesregierung dort an einem Völkermord – an der Abschlachtung zehntausender Kinder und Jugendlicher. Eine Regierung, die so etwas unterstützt, ist auch bereit, unsere Generation in einem neuen Weltkrieg zu opfern.
Schon jetzt werden Unis und Schulen militarisiert. Jugendoffiziere dringen in Klassenzimmer ein, um das Töten fürs Vaterland als „Dienst an der Demokratie“ zu verkaufen. Hochschulen werden in militaristische Zentren umgewandelt und Proteste gegen Krieg und Völkermord an Universitäten mit brutaler Polizeigewalt niedergeknüppelt.
Doch all das reicht nicht, um die Jugend mit dem Gift des Militarismus zu impfen. Obwohl in den letzten Jahren an Schulen und Universitäten unentwegt für Krieg mobilisiert wurde, sind immer noch nur 16 Prozent der Jugendlichen bereit, im Kriegsfall für Deutschland zur Waffe zu greifen. Deswegen soll jetzt die Wehrpflicht eingeführt werden. Wir sollen unter militärische Disziplin gestellt werden und in Reih und Glied marschieren, um diese Opposition zu brechen.
Das dürfen wir nicht zulassen! Der Kriegswahnsinn muss gestoppt und die Wehrpflicht verhindert werden. Wir werden nicht zulassen, dass unsere Generation wieder auf den Schlachtfeldern der Reichen geopfert wird!
Gegen falschen Pazifismus!
Wir lehnen die Wehrpflicht nicht einfach aus individualistischen Gründen ab, weil wir selbst nicht im Schützengraben sterben wollen, sondern weil wir wollen, dass niemand im Schützengraben stirbt. Wir lehnen die Wehrpflicht ab, weil sie Teil einer Kriegsspirale ist, die immer mehr Menschenleben kostet.
Es gibt nichts Abstoßenderes als die Politik von Gruppen wie der Grünen Jugend oder den Jusos, die die Kriegseskalation befürworten und nur dann Einspruch einlegen, wenn es um ihren eigenen Kopf geht. Die Jugendverbände der Bundestagsparteien unterstützen den Völkermord in Gaza und hetzen Tag für Tag für eine Verschärfung des Kriegs gegen Russland. Für sie ist es in Ordnung, wenn russische und ukrainische Jugendliche oder palästinensische Kinder für den Profit geopfert werden – nur sie selbst sollen nicht auf die Schlachtbank geführt werden.
Wenn deutsche Jugendliche geopfert werden, sollen es – wenn es nach diesen Gruppen geht – nicht sie selbst sein, sondern Arbeiterkinder, die „freiwillig“ in die Bundeswehr eintreten, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, an eine Ausbildung zu kommen. Jede Kürzung bei Bildung und Sozialem, die die Regierungsparteien durchführen, soll den Druck auf Arbeiterkinder erhöhen, sich „freiwillig“ zu melden, und die Juso- und GJ-Funktionäre verschonen.
Wir verurteilen diesen Pazifismus der wohlhabenden Mittelschichten, die für Krieg sind, solange dieser sie nicht selbst betrifft. Stoppt die Wehrpflicht bedeutet für uns: Stoppt die Kriegseskalation!
Wir weisen auch die Position von Organisationen wie der Linkspartei zurück, die die Wehrpflicht zwar nominell ablehnen, aber damit übereinstimmen, dass die Bundeswehr als angebliche „Verteidigungsarmee“ aufgerüstet werden muss. Bezeichnenderweise stimmte die Linkspartei im Bundesrat für die massiven Kriegskredite in Höhe von einer Billion Euro und ebnete anschließend den Weg für Merz‘ Wahl zum Kanzler.
Die Kriegseskalation gegen Russland, die Unterstützung der Bundesregierung für den Völkermord in Gaza und die Angriffe auf den Iran zeigen, dass es bei der Aufrüstung der Bundeswehr nicht um „Verteidigung“, sondern um verbrecherische imperialistische Interessen geht.
Es geht um grundlegende politische Fragen: Wer behauptet, man könne die Bundeswehr als Verteidigungsarmee aufrüsten, behauptet, es könne einen friedlichen Kapitalismus geben. Zwei Weltkriege und die akute Gefahr eines dritten Weltkriegs zeigen, dass es einen solchen friedlichen Kapitalismus nicht geben kann.
Krieg entspringt nicht einfach den bösen Absichten einzelner Politiker an der Spitze der Gesellschaft, sondern geht aus den objektiven Widersprüchen des Kapitalismus hervor. Der Widerspruch zwischen einem Weltmarkt einerseits und der Aufteilung in rivalisierende Nationalstaaten andererseits führt zwangsläufig zum Kampf um Märkte und Rohstoffe – in Form von Kriegen.
Solange es den Kapitalismus gibt, wird es Krieg geben. Das bedeutet, dass eine „friedliche Bundeswehr“ unmöglich und eine gefährliche Illusion ist!
Eine sozialistische Perspektive gegen Krieg
Daraus müssen entscheidende Schlussfolgerungen gezogen werden: Ein Kampf gegen die Wehrpflicht bedeutet einen Kampf gegen Krieg und seine Wurzel – den Kapitalismus. Wir kämpfen deshalb für den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse, die sich auf die politischen Prinzipien stützt, die das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) bereits in seiner Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ im Jahr 2016 aufgestellt hat:
- Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.
- Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen, ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
- Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.
- Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen. Dem ständigen Krieg der Bourgeoisie muss die Arbeiterklasse mit der Perspektive der permanenten Revolution begegnen, die als strategisches Ziel die Abschaffung des Nationalstaatensystems und die Errichtung einer sozialistischen Weltföderation anstrebt. Auf diese Weise können die globalen Ressourcen auf rationale, planmäßige Weise erschlossen werden, um die Armut zu überwinden und die Kultur der Menschheit aufblühen zu lassen.
Wir rufen alle jungen Menschen auf: Organisiert euch an Schulen, Unis und Ausbildungsstätten gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht! Diskutiert diesen Aufruf mit euren Mitschülern, Kommilitonen und Kollegen! Nehmt mit uns Kontakt auf und werdet Mitglied der IYSSE!
