21. November 1985
Liebe Genossen!
Auf seiner Sitzung am 17. November 1985 hat das Zentralkomitee der Workers League ausführlich über die Krise in der Workers Revolutionary Party und über die Entscheidung, die News Line als Tageszeitung einzustellen, diskutiert. Ich kann Euch versichern, dass die Workers League voll hinter dem Kampf gegen Healy und die Renegaten steht, die von der Partei gespalten haben und jetzt die kapitalistischen Gerichte benutzen, um sie zu zerstören. So handeln kleinbürgerliche Elemente, die die Prinzipien der trotzkistischen Bewegung hassen, die Arbeiterklasse verachten und völlig mit der Vierten Internationale gebrochen haben. Es wird keinen Kompromiss mit den Renegaten geben. Alle politischen Mittel des Internationalen Komitees müssen aufgeboten werden, um diese verrottete Clique zu entlarven und zu zerstören.
Aber um diesen Kampf zu führen, ist in unseren Reihen die größtmögliche Klarheit über die historischen und politischen Fragen notwendig, denen wir uns nach der Spaltung stellen müssen. Aus diesem Grund sind wir über Eure ZK-Erklärung vom 12. November 1985 beunruhigt. Wir haben scharfe politische Meinungsverschiedenheiten darüber, wie die WRP seit der Spaltung vom 26. Oktober 1985 den Kampf gegen die Antipartei-Renegaten führt.
Wir machen uns tiefe Sorgen über die wachsenden Anzeichen, dass unsere Genossen in der Führung der britischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale weder begonnen haben, die politischen Fragen zu analysieren, die durch die Spaltung aufgebracht wurden, noch sich mit der Ursache und dem Charakter der Degeneration zu konfrontieren, welche die Explosion in der WRP hervorgerufen hat. Wir fürchten, dass die Spaltung auf der Ebene eines rein organisatorischen Bruchs mit Healy und seinen Unterstützern bleiben wird, wenn keine derartige Analyse, die Voraussetzung für eine theoretische Wiederbewaffnung der Partei, vorhanden ist. Das würde bedeuten, dass die WRP auch in Zukunft immer weiter vom Trotzkismus und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale weggetrieben würde.
Die grundlegende Ursache unserer Meinungsverschiedenheit und der wachsenden Spannungen zwischen uns ist, dass die Führung der Workers Revolutionary Party nicht bereit ist, die Autorität des Internationalen Komitees der Vierten Internationale anzuerkennen, außer in einer verbalen und platonischen Form. Gerade weil die Führung der WRP nicht anerkennt, dass das wesentlichste Merkmal von Healys politischer Degeneration seine Unterordnung der internationalen Bewegung unter die praktischen Bedürfnisse der britischen Sektion war, befindet sie sich in einer echten Gefahr, denselben nationalistisch-opportunistischen Kurs weiter zu verfolgen, wenn auch in einer etwas anderen Form.
Erlaubt uns die Erklärung des Zentralkomitees vom 12. November zu untersuchen, da sie alle Fehler im Verhalten der WRP-Führung offenlegt.
Nach sechzehnjährigem ununterbrochenem Erscheinen ist die Tageszeitung der trotzkistischen Bewegung in Großbritannien nahezu ohne Diskussion eingestellt worden. Trotz der Tatsache, dass weder Workers Press noch News Line ohne die enormen Opfer des Kaders der gesamten Weltpartei hätten gegründet oder aufrechterhalten werden können, wurde das IKVI noch nicht einmal vorher über den Plan, die News Line einzustellen, informiert, geschweige denn um Rat gefragt. Genossen North wurde die Entscheidung, das tägliche Erscheinen einzustellen, am 11. November von Genossen Slaughter telefonisch mitgeteilt, zwei Tage nachdem das Zentralkomitee der WRP und die Sonderkonferenz darüber abgestimmt hatten.
Auf dem IK-Treffen am Dienstag, den 5. November – zu dem die Delegierten aus Nordamerika eigens angereist waren – sagte die britische Delegation nicht ein Wort über das unmittelbar bevorstehende Ableben der täglichen News Line. Zu dieser Delegation gehörten auch Genosse Slaughter und Genosse Dave Bruce (der Mike Banda vertrat, der es vorzog, nicht teilzunehmen). Beide Delegierte mussten wissen, dass dem bevorstehenden Zentralkomitee der Vorschlag zur Einstellung des täglichen Erscheinens vorgelegt werden würde. Nur wenige Stunden vor dem IK-Treffen hatte Genosse Banda eine Erklärung geschrieben, in der der Generalsekretär die Gründung der Tageszeitung 1969 als einen „kolossalen politischen Fehler“ bezeichnete.
Dies und andere liquidatorische Standpunkte, die Genosse Banda äußerte, wurden dem Internationalen Komitee nicht zur Kenntnis gebracht. Genosse Slaughter, der Genosse Bandas Ansichten kannte, wies zwar einmal ausweichend auf die Gefahr eines organisatorischen Zusammenbruchs hin, zog es aber auch vor, die Frage der Zukunft von News Line nicht aufzubringen.
Hier haben wir die Fortsetzung derselben prinzipienlosen Haltung gegenüber dem Internationalen Komitee, die beispielhaft für die politische Degeneration der Workers Revolutionary Party war. Die Führung glaubt weiterhin, dass Fragen, die das innere Leben der WRP betreffen, vor allem die Auseinandersetzung in ihrer Führung, dem Internationalen Komitee nicht zugänglich sein sollten. Was ihre Entscheidungen betrifft, so dient das IK nur als dekorativer Freistempel. Ohne Zweifel wird Genosse Slaughter einwenden, dass die Entscheidung, das tägliche Erscheinen einzustellen, der WRP durch alle möglichen unwiderstehlichen Gründe aufgezwungen wurde, wie z.B. Geldmangel, Personalmangel, zu wenig Mitglieder usw.. Ob dies stimmt oder nicht, ist aber gar nicht die Frage. Diese Gründe hätten am 5. November dem Internationalen Komitee vorgelegt werden können. Nach den Erfahrungen mit der Erklärung über den Ausschluss Healys und der Hinwendung zur bürgerlichen Presse werdet Ihr uns hoffentlich verzeihen, wenn wir Euch offen sagen, dass wir es satt haben, über die Notwendigkeit von Maßnahmen informiert zu werden, die bereits durchgeführt wurden, ohne das Internationale Komitee um Rat zu fragen.
In Eurer Erklärung steht: „Unsere Partei hat zur Zeit nicht die physischen und finanziellen Mittel, um eine revolutionäre Tageszeitung zu produzieren, wie sie erforderlich ist, um die Arbeiterklasse zu führen.“ Auf welchen Informationen beruht diese Schlussfolgerung? Bisher wurde weder Mitgliedschaft der WRP noch dem IKVI ein Finanzbericht gegeben. Das Internationale Komitee hat eben erst mit einer Untersuchung der Finanzen der WRP begonnen.
Die Workers League bestreitet nicht das Recht der WRP, einen organisatorischen Rückzug zu machen, falls dies absolut nötig ist, und das tägliche Erscheinen vorübergehend einzustellen. Aber eine derart ernsthafte Entscheidung müsste auf der sorgfältigsten Diskussion innerhalb des Internationalen Komitees beruhen, einer Diskussion die sich nicht nur auf die Frage der finanziellen und physischen Mittel konzentriert, sondern vor allem auf die Fragen der Politik und Perspektiven.
Das völlige Fehlen politischer Vorbereitung wird in der ersten Ausgabe der zweimal wöchentlichen News Line vom 16. November offensichtlich. In einer 16-seitigen Zeitung sind vier Seiten Sport und zwei Seiten Fernsehprogramm. Sie enthält keinen Kommentar. Der wichtigste Auslandsartikel, auf Seite 4, stammt von Reuters. Auf Seite 5 finden wir zu unserer Überraschung einen Artikel aus der Irish Socialist Press. Wir nehmen an, dies ist das Organ einer Gruppe in Irland, die Beziehungen zur WRP anknüpfen will. Unseres Wissens ist weder die Politik dieser Gruppe noch der Charakter ihrer Beziehungen zur WRP jemals im Internationalen Komitee diskutiert worden. Trotzdem wird ihnen eine volle Seite zur Verfügung gestellt, auf der sie folgende zweifelhaften Bemerkungen machen:
Dies ist die Wirklichkeit des kapitalistischen Irlands. Und es gibt einen weiteren Faktor. Die protestantische Arbeiterklasse ist verständlicherweise völlig gegen ein bürgerliches ‚vereinigtes‘ Irland. Darüber sollte man sich nicht täuschen! Wir unterstützen sie dabei völlig. Weshalb sollten die protestantischen Arbeiter die Fesseln von Paisleys Form der Religion abwerfen, nur um die nicht weniger widerwärtige religiöse Unterdrückung im Süden zu umarmen. (Unsere Hervorhebung)
Dies ist nicht der Ort, wo wir unsere Ablehnung der obigen Formulierung erklären wollen, die als Anzeichen dafür genommen werden könnte, dass diese Gruppe keinen eindeutigen Standpunkt zur Frage des Rechts des irischen Volkes auf Selbstbestimmung einnimmt. Auch den Hinweis dieser Gruppe auf ihre gegenwärtige Perspektivdiskussion „über die Frage der Einheitsfrontstrategie in Irland“ finden wir nicht ermutigend. (Unsere Hervorhebung)
Auf alle Fälle ist der Platz für einen derartigen Artikel ein internationales Diskussionsbulletin und nicht das öffentliche Organ unserer britischen Sektion, wo er kommentarlos abgedruckt wird. Falls die Redaktion beschlossen hat, diesen Artikel zu veröffentlichen, weil diese Gruppe den Ausschluss Healys unterstützt, halten wir das für prinzipienlos. Unglücklicherweise zeigt die Veröffentlichung dieses Artikel erneut die Tatsache, dass die politischen Grundlagen Eurer Arbeit nicht fest im trotzkistischen Konzept einer Weltpartei der Sozialistischen Revolution verwurzelt sind.
Dies ist der Grund, weshalb Ihr unserer Meinung nach nicht wirklich versteht, dass die tägliche News Line eine politische Errungenschaft des Internationalen Komitees ist und dass ihre Entwicklung jede Sektion berührt. Wenn Ihr nicht glaubt, dass das Internationale Komitee bei einer Entscheidung um Rat gefragt werden sollte, die nicht nur jeden Aspekt der Arbeit unserer britischen Sektion und ihrer Beziehung zur Arbeiterbewegung berührt, sondern auch das politische Leben der gesamten Weltpartei, dann ist es klar, dass wir sehr unterschiedliche Auffassungen über die historische Rolle der Vierten Internationale haben.
Die Existenz einer Weltpartei hat keine politische und praktische Bedeutung und das Gerede über den internationalen Charakter der sozialistischen Bewegung verliert jeglichen Sinn, wenn sie nicht von Anfang an das Recht der Kommunisten eines Landes beinhaltet, den Kampf der Kommunisten in anderen Ländern nicht nur mit Ratschlägen zu unterstützen, sondern auch zu beurteilen.
Aber genau das will die Führung der WRP nicht zugestehen, und darin liegt die enorme Gefahr einer laufenden und nicht rückgängig zu machenden Degeneration. Wir können nichts dafür, wenn Ihr Euch dadurch angegriffen fühlt, aber wir haben den Verdacht, dass Eure Weigerung das Schicksal der News Line zu diskutieren aus einem Zögern kommt, die wirkliche politische Perspektive der Führer der britischen Sektion internationaler Kritik zu unterwerfen.
Nachdem wir Genossen Bandas privates Memorandum studiert haben (es wurde am Tag nach dem IK-Treffen schließlich Genossen North durch Genosse Bruce zugänglich gemacht, was politisch zu seinen Gunsten spricht, wobei er seine eigene Ablehnung davon zum Ausdruck brachte), ein Memorandum das er als „letzten Willen und Testament“ bezeichnete, haben wir guten Grund, die in der Erklärung aufgestellte Behauptung anzuzweifeln, dass das „Zentralkomitee dem Achten Kongress der Workers Revolutionary Party Anfang nächsten Jahrs Vorschläge über die Wiederherausgabe der revolutionären Tageszeitung unterbreiten wird.“
Die ZK-Erklärung gibt eine nationalistische Entartung der WRP während „mehrerer Jahre“ zu, sagt aber sonst nichts über diese Frage, die das Wesen der Sache ist. Trotz all der scheinbar heftigen Kämpfe innerhalb der WRP-Führung unter Healy, existierte sie politisch als eine nationalistische Clique, die jede Form der Kontrolle oder Disziplin über ihre Arbeit durch das Internationale Komitee ablehnte. Das war die grundlegende Bedeutung davon, dass sich die britische Sektion weigerte, innerhalb des IKVI eine Diskussion über die von der Workers League zwischen 1982 und 1984 vorgebrachte Kritik an ihrer Arbeit zuzulassen. Frei von jeglicher Kontrolle oder Überwachung durch die internationale Bewegung, lehnte die WRP dann die grundlegenden Prinzipien des Trotzkismus bezüglich des Übergangsprogramms, der Permanenten Revolution und des Kampfs gegen den Stalinismus, Revisionismus und Zentrismus immer offener ab. Während sie eine „tief gehende nationalistische Degeneration“ kurz erwähnt, kann die ZK-Erklärung den Charakter dieser Degeneration nicht ehrlich aufzeigen oder erklären, weshalb niemand in der Führung der WRP dagegen ankämpfte.
Stattdessen weicht die Resolution diesen grundlegenden Fragen auf unehrliche Weise aus, indem sie alle Betonung auf die persönliche Degeneration Healys und seiner Unterstützer legt, und alle Verantwortung für das Ableben der Tageszeitung „früheren Führern der Workers Revolutionary Party und insbesondere der Renegatengruppe unter der Führung von G. Healy, A. Mitchell, C. Redgrave und V. Redgrave“ zuschiebt.
Wir stellen diese Frage direkt an Genossen Banda und Slaughter: Wollt Ihr sagen, dass die gegenwärtigen Führer der WRP, vor allem Ihr selbst, keine wesentliche Verantwortung für die Krise in Eurer Partei und im Internationalen Komitee tragen? Ihr beide habt jahrelang die entscheidende Rolle bei der Verteidigung von Healys Politik und Methoden gegen korrekte Kritik in Eurer Sektion und im Internationalen Komitee gespielt. Zumindest in den Augen der internationalen Genossen hat Eure unermüdliche Unterstützung für Healy eine weit größere Rolle beim Aufbau seines Prestiges und seiner Autorität gespielt, als alles, was Mitchell oder die Redgraves gesagt oder getan haben, die, daran muss erinnert werden, der revolutionären Bewegung erst beigetreten sind, nachdem Ihr beide bereits seit Jahren herausragende Führer der britischen Sektion und des Internationalen Komitees wart.
Vielleicht betrachtet Ihr diese Bemerkungen als „unkameradschaftlich“, aber wie kann das Vertrauen der internationalen Arbeiterklasse und der Kader der Vierten Internationale in die Workers Revolutionary Party wieder hergestellt werden, wenn ihre Führer es ablehnen, Verantwortung für die Krise in ihrer eigenen Organisation zu übernehmen? Dieser Versuch, der Verantwortung auszuweichen, ist eine zusätzliche Warnung, dass die Führung der WRP nicht gewillt ist, eine objektive Analyse der Degeneration der Partei zu machen. Das würde nicht nur eine Verurteilung von Healy, Mitchell, den Redgraves und Torrance erfordern, sondern auch eine kritische Überprüfung der politischen Biographien der gegenwärtigen Führer.
Stattdessen wird die Aufmerksamkeit auf Healys persönliche Degeneration gerichtet, die die ZK-Erklärung hauptsächlich einer „Bürokratie“ zuschreibt, deren Existenz, so behauptet sie, es zuließ, dass „seine verruchten persönlichen Praktiken andauerten“.
Unserer Meinung nach ist diese Konzentration auf die Frage der Bürokratie ein gewandtes Ausweichen vor den wirklichen Problemen, vor denen die WRP steht. Jeder Versuch, die politische Degeneration Healys und der WRP als Ganzes der Existenz einer Partei-“Bürokratie“ zuzuschreiben, bedeutet den Marxismus ins Lächerliche zu ziehen. Gemessen am Maßstab der britischen Arbeiterbewegung, oder gar der deutschen und amerikanischen oder der stalinistischen in den deformierten und entarteten Arbeiterstaaten, ist die „Bürokratie“, auf die sich Healy stützte, derart winzig, dass sie kaum erwähnt zu werden braucht.
Wenn Ihr außerdem versucht, diese Erklärung auf die Redgraves und Mitchell auszudehnen, wird sie wirklich lächerlich. Wir verurteilen ihren gegenwärtigen politischen Kurs völlig, der sie dazu geführt hat, die Klassenschranken zu übertreten und die kapitalistischen Gerichte gegen die Partei einzusetzen. Aber niemand kann ernsthaft behaupten, dass Corin und Vanessa Redgrave oder Alex Mitchell Mitglied der britischen trotzkistischen Bewegung wurden und darin blieben, um „persönliches Prestige und Privilegien“ zu bekommen. Und selbst wenn das der Fall wäre, müsste immer noch erklärt werden, wie derartige Leute in die Führung der Partei gebracht wurden und wie es zugelassen wurde, dass sie so viele Jahre in Positionen mit derartiger Autorität bleiben konnten.
Hier tritt der wirkliche politische Inhalt der Spaltung in aller Deutlichkeit hervor. Healy hat eine politische Basis unter jenen Elementen in der alten Führung gefunden, die nicht die geringste Beziehung zum historischen Kampf des IKVI gegen den Revisionismus haben. Keiner von ihnen spielte im theoretischen Kampf gegen die amerikanische SWP oder die französische OCI eine Rolle. Mit der Ausnahme von Torrance ist ihr Aufstieg in Führungspositionen mit dem Rückzug der SLL/WRP von den trotzkistischen Prinzipien verbunden, für die sie in den fünfziger und sechziger Jahren gekämpft hatte. Vor allem Vanessa Redgrave und Alex Mitchell werden mit jener Politik und Praxis identifiziert, die beispielhaft für Healys bewusste Ablehnung der programmatischen Grundlagen der Vierten Internationale ist, d. h. der Ablehnung der Theorie der permanenten Revolution und der Errichtung von prinzipienlosen Söldnerbeziehungen zu den bürgerlichen Regimen im Nahen Osten.
Nachdem sie durch diese reaktionären Beziehungen politisch korrumpiert worden sind, ist es nur natürlich, dass sie an Healys lasterhaftem Missbrauch von Kadern der trotzkistischen Bewegung nichts auszusetzen hatten. Ebenso wenig sollte es überraschen, dass die Renegaten, nachdem sie unter Healy jahrelang eine Praxis durchgeführt haben, die auf der Ablehnung einer proletarischen Klassenlinie beruhte, jetzt die kapitalistischen Gerichte gegen die WRP benutzen. Was Torrance betrifft, so war das „herausragendste“ Merkmal ihres politischen Charakters ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Internationalen Komitee. Ihre einzige Verbindung zur internationalen Arbeit bestand darin, dass sie mithalf das Geld zu zählen, dass von Sektionen des IKVI gesammelt wurde.
Nein, wir haben es nicht mit einer „bürokratischen Degeneration“ zu tun; es ist eine politische Degeneration zum Opportunismus, ausgedrückt in der Auferstehung des pablistischen Revisionismus auf jeder Ebene der Perspektiven der Sektion. Das wird durch die Renegaten am vollständigsten personifiziert. Unserer Ansicht nach ist die wichtigste Lehre aus dem gegenwärtigen Kampf, die von jedem Kader des Internationalen Komitees erfasst werden muss, die enorm reaktionäre praktische Auswirkung jedes Rückzugs von der Verteidigung trotzkistischer Prinzipien und vom Kampf gegen alle Formen von Revisionismus.
Aber genau darüber sagt die Erklärung des Zentralkomitees absolut nichts: es gibt nicht eine einzige Bezugnahme auf den Pablismus! Stattdessen habt Ihr einen völlig neuen politischen Ausdruck geprägt, „Healyismus“. Inwiefern bereichert dieser Ausdruck das politische Vokabular des Internationalen Komitees? Wir behaupten, dass dieser Ausdruck keinen ernsthaften politischen Inhalt hat. Er dient nur dazu, die Mitglieder der WRP von einer Analyse des Anwachsens des Revisionismus innerhalb ihrer Partei abzulenken, und er beraubt sie der historischen Perspektive, die sie brauchen, um diese Degeneration zu verstehen und den Kampf zu führen, sie umzukehren. Wir können Euch versichern, dass wir hier keine Haarspalterei über Ausdrücke treiben.
Die theoretische Degeneration der WRP und die Praktiken, die das hervorgebracht hat, sind mit der Kapitulation vor dem pablistischen Angriff auf die programmatischen Grundlagen des Trotzkismus verbunden. Die besonderen Formen, die das in der britischen Sektion angenommen hat, besonders die völlig prinzipienlosen Beziehungen mit bürgerlich nationalistischen Regimen im Nahen Osten, muss konkret studiert werden. Dies kann natürlich nicht über Nacht vollendet werden. Aber indem Ihr dies völlig ignoriert, lasst Ihr zu, dass diese politische Degeneration unabhängig von Euren Absichten und trotz dem organisatorischen Bruch mit Healy weitergeht. In diesem Zusammenhang finden wir es sehr beunruhigend, dass die Erklärung nicht zu einer Rückkehr zur Theorie der permanenten Revolution und zum Übergangsprogramm aufruft.
Wenn die Aufmerksamkeit der Partei nicht auf diese grundlegenden Fragen der Geschichte, der Prinzipien und des Programms der trotzkistischen Bewegung konzentriert wird, kann der Kader der britischen Sektion und der internationalen Bewegung nicht neu bewaffnet werden, um diesen revisionistischen Angriff zurückzuschlagen. Aber anstatt den Kader über die entscheidenden historischen Fragen, die in diesem Kampf auf dem Spiel stehen – die Verteidigung der gesamten politischen und theoretischen Erbschaft der Vierten Internationale – bewusst zu machen, erklärt Genosse Banda, dass „die Partei nicht wegen taktischen und programmatischen Fragen gespalten wurde, sondern aufgrund der absolut grundlegenden Frage der revolutionären Moral.“ (News Line, 2. November 1985)
Wenn dem tatsächlich so wäre, müssten wir feststellen, dass die Spaltung keinen prinzipiellen Inhalt hat; denn wie ist es möglich, „revolutionäre Moral“ getrennt von taktischen und programmatischen Fragen zu diskutieren? Es ist absolut passend, hier Trotzki zu zitieren:
Der Zentrist nimmt gern Zuflucht zu pathetischem Moralisieren, um seine ideologische Hohlheit zu verdecken; er begreift nicht, dass die revolutionäre Moral nur auf dem Boden der revolutionären Doktrin und der revolutionären Politik entstehen kann. (Schriften über Deutschland, S. 671)
Wir finden die Wurzeln von Healys moralischer Degeneration und seines abscheulichen Missbrauchs von Genossen in seiner politischen Degeneration, nicht umgekehrt. Insofern gefährliche Tendenzen zum Subjektivismus seit Jahren zu beobachten waren, wurden sie über lange Zeit durch den prinzipiellen Kampf der britischen Sektion für den Aufbau der Vierten Internationale in Schach gehalten. Wir werden keinen Versuch akzeptieren, die Geschichte der Vierten Internationale vom Standpunkt der moralischen Verrufenheit Healys neu zu schreiben. Aus diesem Grund stimmen wir nicht damit überein, dass News Line am 8. November ein Dokument über Healys Ausschluss 1943 veröffentlicht hat, das angesichts des Fehlens jeglicher Erklärung zur Schlussfolgerung verleitet, Healy sei damals zu Recht ausgeschlossen worden und seine Wiederzulassung als Mitglied sei ein tragischer Irrtum gewesen, den zu korrigieren die Bewegung 42 Jahre gebraucht habe. Das ist eine falsche, subjektive Methode, die nur dazu dient, die gesamte Geschichte des Internationalen Komitees zu diskreditieren.
Im Lichte von Healys späterer Degeneration ist es wert nachzulesen, was James P. Cannon über die Fragen zu sagen hatte, die in den Kämpfen innerhalb der britischen Sektion der Vierten Internationale während jener Periode aufkamen. Er wandte sich an die rechte Fraktion innerhalb der SWP unter der Führung von Goldman und Morrow:
Wisst Ihr, was für ein Regime Eure Kumpel in England haben? Sie haben eine Minderheit, die von Healy geführt wird, dessen Verbrechen in der Tatsache bestanden, dass er die Einheitslinie des Internationalen Sekretariats unterstützte, dass er mit dem sektiererischen Nationalismus der WIL brach und ein wirklicher Internationalist wurde, ihre nationalistischen Anlagen zurückwies und im allgemeinen mit der politischen Position der Socialist Workers Party sympathisierte. Wisst Ihr, wie dieses Regime Healy nennt? Einen Quisling der Socialist Workers Party; d. h. einen Agenten eines feindlichen Landes. (James P. Cannon, Writings and Speeches, 1945-47, S. 182)
Es ist Healy, nicht wir, der auf die Geschichte der Bewegung spuckt und der die Prinzipien ablehnt, für die er jahrelang gekämpft hat. War es sein früherer Kampf für den Internationalismus, der ihn befähigte, seine ernsthaften subjektiven Schwächen zu überwinden, oder wenigstens zu unterdrücken, so war es seine Wegwendung von diesen selben Prinzipien, die eine politische Degeneration in Gang setzte, die es zuließ, dass sich diese Schwächen außer Kontrolle entwickelten und derart bösartige Formen annahmen. Anstatt kindische Anti-Healy-Karikaturen zu veröffentlichen (wie in News Line vom 16. November), sollten wir lieber seine revisionistische Politik entlarven, seine Ablehnung der prinzipiellen Kämpfe, auf der sich die Bewegung gründet.
Weshalb bestehen wir auf diesem Herangehen an unsere Geschichte? Weil unsere politischen Beziehungen und die aller anderen Sektionen des IKVI zur britischen Bewegung auf Prinzipien basierten, zuallererst auf der Übereinstimmung, dass der Aufbau der Weltpartei der Sozialistischen Revolution die grundlegende historische Aufgabe unserer Epoche ist. Die Tradition, die durch den Kampf, die Vierte Internationale aufzubauen, geschaffen wurde, lebt in der WRP nach wie vor, trotz der politischen Degeneration der Organisation, die ihren reaktionärsten Ausdruck in Healy fand. Aber diese Tradition muss bewusst wiederbelebt und gestärkt werden, Das bedeutet zuallererst, dass die britische Sektion ihre Beziehungen zum Internationalen Komitee neu schmieden muss.
Diese internationalistische Perspektive muss alle Aspekte der Arbeit der Workers Revolutionary Party beleben. Wir sind überzeugt, dass die WRP, wenn sie einmal die Notwendigkeit für die engste Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee anerkennt und dafür kämpft, bewusst mit dem nationalistischen Opportunismus der vergangenen Periode zu brechen, sich schnell von der gegenwärtigen politischen Krise erholen und eine enorme politische Stärke gewinnen wird. Mit dieser Perspektive bewaffnet wird der gegenwärtige Kader der WRP aus dem Kampf für den Trotzkismus alle notwendigen physischen und finanziellen Mittel schaffen, um eine Tageszeitung zu produzieren, wie sie notwendig ist, um die Arbeiterklasse zu führen.
Wir vertrauen darauf, dass dieser Brief als ein brüderlicher Beitrag zur Diskussion, die in der WRP stattfindet, aufgenommen wird. Deshalb möchten wir Euch bitten, diesen Brief allen Mitgliedern der Workers Revolutionary Party zugänglich zu machen.
Mit brüderlichen Grüßen
David North,
im Namen des Zentralkomitees der Workers League