News Line-Bericht vom 29 November 1985
Viele alte und neue Gesichter waren auf der gutbesuchten Versammlung der Workers Revolutionary Party, die am Dienstag im Friends Meeting House in Euston, London, stattfand, zu sehen.
- ZUR ERÖFFNUNG der Versammlung erklärte Dany Sylveire:
Ich bin stolz darauf, gebeten worden zu sein, diese Versammlung zu leiten. Es ist die erste öffentliche Versammlung im Bezirk London zum Thema revolutionäre Moral und die Spaltung in der WRP.
Es ist eine historische Versammlung, weil unsere Partei erhobenen Hauptes dastehen kann, nachdem sie mit der bürokratischen Clique gebrochen hat, die so lange geherrscht hat. Nur auf diese Weise können wir eine wahrhaft trotzkistische Partei, die britische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, aufbauen.
- RICHARD GOLDSTEIN, AUEW- Vertrauensmann bei Gestetner, – er sprach in persönlicher Verantwortung – erklärte:
Ich bin stolz, mich ein Mitglied der WRP zu nennen, und besonders stolz bin ich, dass ich mit meinen Genossen am Kampf, es mit Healy und seiner reaktionären Clique aufzunehmen, teilgenommen und sie besiegt habe.
Goldstein, ein Mitglied des Londoner Bezirkskomitees, erklärte weiter:
Wie eine Reihe von Leuten meiner Generation trat ich der Socialist Labour League (der Vorgänger-Organisation der WRP) in den 60er Jahren bei, weil ich die reformistische Bürokratie ablehnte, die von Harold Wilson in der Labour Party von John Gollan in der Kommunistischen Partei geführt wurde.
Ich trat der KP im Alter von 16 Jahren bei und wurde zunehmend enttäuscht von ihrer völlig pazifistischen und feigen und unrevolutionären Linie. Die trotzkistische Bewegung war die einzige, die von einem revolutionären Standpunkt aus eine Analyse des Reformismus und Stalinismus lieferte.
Goldstein wies auf die Kämpfe gegen die Anti-Gewerkschafts-Gesetze in den 60er Jahren, den Kampf 1968 in Frankreich, den Sieg der Vietnamesen über die USA und andere Entwicklungen in jener Zeit hin und fuhr fort:
Dies war die Bewegung, für die wir beschlossen, unser Leben zu geben. Aber wir waren nur halb im Bilde. Wir waren zur Hälfte unwissend. Wir hatten Marx, Engels, Lenin und Trotzki gelesen – doch Aktivismus hinderte uns daran, ein wirkliches Studium durchzuführen.
Es war keine revolutionäre Situation. Doch nach Healy war die ganze Zeit über roter Alarm. Die Genossen waren bereit, im Namen der Revolution beinahe alles zu akzeptieren. Dies ist die Situation, die Healy ausnutzte, um Genossen sexuell und physisch zu missbrauchen.
Es sei nicht nur Healy gewesen, betonte er. Die ehemalige stellvertretende Sekretärin Sheila Torrance – inzwischen ausgeschlossen – sei „Healys Papagei – unfähig eines selbständigen politischen Gedankens“ gewesen. „Sie führte Healys schmutziges Werk durch.“
Der Bergarbeiterstreik und die Art und Weise, wie er endete, erklärte Goldstein der Versammlung, hätten die politische Krise innerhalb der WRP geschaffen, die schließlich den Würgegriff löste.
Wir warfen die Fragen bezüglich Livingstone im GLC, des Kampfs gegen staatlich finanzierte geheime Abstimmungen, von Opportunismus gegenüber Labour- und Gewerkschafts-Bürokraten auf.
Als wir von Healys wirklichen Praktiken erfahren hatten, wussten wir, dass wir keine Bewegung aufbauen könnten, deren Führung Frauen sexuell missbraucht. Wir sind gegenüber der Arbeiterklasse verpflichtet, Healy und seine Clique völlig zu entlarven und für immer aus der Arbeiterbewegung zu vertreiben.
- John Simmance, AUEW-Vertrauensmann im Charing-Cross-Krankenhaus– er sprach in persönlicher Verantwortung – erklärte der Versammlung:
Die Spaltung in unserer Partei fand über die Frage revolutionärer Moral statt – über den Widerstand gegen diesen systematischen Missbrauch von Genossen, und darüber, ob Führer der Partei gegenüber zur Rechenschaft und Verantwortung gezogen werden können.
Er sagte, dass die Healy-Clique immer noch darauf bestehe, dass wir in einer revolutionären Situation lebten. Simmance, der Zellensekretär der WRP von Paddington ist, setzte sich mit dieser Frage auseinander und erzählte in diesem Zusammenhang anschaulich seine Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit.
Der 26. November, erklärte er, sei für ihn mit besonderen Erinnerungen verbunden. Es sei der Tag gewesen, an dem 1979 der Streik von weniger als 40 Arbeitern im Charing-Cross-Krankenhaus seinen Höhepunkt erreichte.
Wir waren bereits sechs Wochen im Streik. Wir standen 24 Stunden am Tag Streikposten, und zwar im Krankenhaus. Herdenweise kamen die Presseleute, um gegen uns zu hetzen. Duffey (der damalige Vorsitzende der AUEW) wollte den Streik brechen, und eine Gegendemonstration gegen uns aus dem Krankenhaus heraus wurde organisiert. Wir blieben fest.
Wir weigerten uns, einen Öltankwagen durch den Streikposten zu lassen. Das Krankenhaus hatte bereits Öl. In dieser Nacht stellte sich Thatcher vors Parlament und erklärte, ich glaube zum ersten Mal, wenn wir das Öl nicht durchließen, würde sie die Armee einsetzen. Und wir waren nicht mehr als 35 Mann!
Dies geschah sechs Monate nach dem Wahlsieg der Tories von 1979. In den sechs Jahren seitdem hätten wir die größten Veränderungen seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen. Doch eine revolutionäre Situation, betonte Simmance, hänge nicht nur von den ökonomischen Voraussetzungen ab, sondern auch davon, ob in der Arbeiterklasse ein bestimmter Bewusstseinsstand erreicht worden sei.
„Die Healyisten haben jetzt Probleme“, fuhr er fort. „Sie sind nicht nur unfähig, eine revolutionäre von einer vorrevolutionären Situation zu unterscheiden, sie können auch nicht zählen. Sie nennen sich die WRP, obwohl die Abstimmung im Zentralkomitee über den Antrag, Anklage gegen Healy zu erheben, um ihn auszuschließen, mit 25 gegen 11 Stimmen endete.“
- JULIE HYLAND, nationale Sekretärin der Young Socialists, erzählte, wie die YS den Kampf aufgenommen hätten, Healy und seine Anhänger zu entlarven und aus der Bewegung zu treiben.
Als auf einer Sitzung des Londoner Jugendkomitees der YS am 7. Oktober eine Resolution mit der Forderung nach einer Kontrollkommission über Healys Praktiken verabschiedet worden sei, habe Claire Dixon – damals ein Mitglied des WRP-Zentralkomitees, das seitdem mit Healy gegangen ist – behauptet, die Sitzung sei statutenwidrig gewesen und gedroht, Disziplinarmaßnahmen gegen Hyland durchzusetzen, weil sie die Abstimmung zugelassen habe.
„Doch die Jugendlichen in London und im ganzen Land blieben absolut fest gegenüber diesem und anderen Beispielen von Einschüchterungen“, erklärte Julie.
Der Missbrauch sei nur eines von Healys Verbrechen gewesen, betonte sie. Als Healy und Torrance noch die WRP führten, seien die Jugendlichen nicht in der Lage gewesen, eine Politik für die YS zu entwickeln.
Wir wurden daran gehindert, an den Kämpfen der Jugend tatsächlich teilzunehmen. Eines der besten Beispiele dafür war, wie Torrance uns sagte, wir könnten nicht an der Organisierung von Schulstreiks teilnehmen – weil, so erklärte sie uns, die Jugendlichen bestraft würden! Doch genau zur selben Zeit waren über 60 Bergleute im Gefängnis und standen Jugendliche an vorderster Linie im Kampf gegen das südafrikanische Regime.
Die Jugendlichen in den YS wollten nicht hinnehmen, dass sie nicht für Rechte kämpfen durften. Thatcher und der rechte Flügel der Labour- und Gewerkschaftsbürokratie war nicht in der Lage gewesen, die Jugend zurückzuhalten und zu unterjochen – und Healy war es genauso wenig.
Unter Healy gab es in der YS kein wirklich politisches Leben. Jetzt aber entdecken wir zum ersten Mal die historische Grundlage der YS und wissen, dass wir beginnen können, die Young Socialists aufzubauen und auszubilden wie niemals zuvor.
Genossin Hyland zitierte dann aus Trotzkis Verratene Revolution und dem Übergangsprogrammder Vierten Internationale.
- CLIFF SLAUGHTER, Mitglied des WRP-Zentralkomitees, begann seine Rede, indem er sagte, wie jeder andere auf dem Podium betrachte er den Ausschluss von Healy als das Positivste, was man hätte tun können, fügte jedoch hinzu: „Viele hier werden sagen, wir hätten das schon vor langer Zeit tun sollen.“
Er fuhr fort: „Ich habe viele Sachen geschrieben; vieles, worauf ich sehr stolz bin, anderes, dessen ich mich schäme. Das Beste, was ich geschrieben habe, war die Anklage gegen Healy, die zu seinem Ausschluss führte.“
Slaughter, der sich der trotzkistischen Bewegung nach seinem Ausschluss aus der Kommunistischen Partei 1957 angeschlossen hatte, betonte jedoch, dass die Loslösung von Healy nicht einfach mit einem Ausschluss vollzogen werden könne.
Was seit dem Ausschluss bis jetzt getan worden sei, könne nur ein Anfang sein, erklärte er und warnte:
Wer jetzt versucht, eine simple Erklärung zu den Ereignissen zu geben – so einfach war das nicht.
Healy und seine Clique wurden ausgeschlossen, weil die WRP und ihre Zeitung an den Rand des Ruins gebracht worden waren. Ich übertreibe nicht. Vor allem hatten wir eine Partei, die in eine Sekte, eine propagandistische, opportunistische Sekte verwandelt worden war.
Healy organisierte Dinge, ohne irgendein Komitee zu befragen. Er beriet sich nur mit einem oder zwei seiner engsten Vertrauten.
Der sexuelle Missbrauch von weiblichen Genossen und die physische Misshandlung von männlichen Genossen – vor allem von Jugendlichen in unserer Partei – seien eine direkte Manifestation der dekadentesten Form bürgerlicher Ideologie.
Corin Redgrave, so wurde der Versammlung berichtet, habe vor sehr kurzer Zeit ein WRP-Mitglied besucht und ihm erklärt: „Gerry Healy hat den Fehler gemacht, dass drei der Mädchen, die er hatte, Töchter von Parteimitgliedern waren.“
Mit anderen Worten, so Slaughter, alles wäre in Ordnung gewesen, wenn Healy nicht ertappt worden wäre. „Sexueller Missbrauch. Ja, das war notwendig, bis diese Partei aufwachte, um zu handeln.
Niemand sollte den Schaden unterschätzen, der angerichtet worden ist. Und niemand sollte die moralische Seite davon unterschätzen. Sie ist politisch“, sagte er. „Aber es war völlig positiv, dass diese Partei Kräfte fand, eine Wende zu vollziehen. Wir machten diese Wende – Healy wird nicht zurückkommen.“
Slaughter versprach: „Wir sind am Beginn einer objektiven Analyse, und alle, die wirklich die Lehren ziehen wollen, können sicherlich daran mitarbeiten. Wir werden alle Fragen untersuchen, als Trotzkisten.“
- Anschließend kamen FRAGEN und Beiträge aus dem Publikum, und unter denen, die sprachen, waren: das ausgeschlossene WRP-Mitglied Alan Thornett. Connie Kirkby („Socialist Action“); Harry Vince (Socialist Labour Group); Stuart King („Workers Power“); Bob Pennington (ehemalige International Marxist Group); Monty Johnstone (CPGB) und David Bruce (WRP-Zentralkomitee).
Eine ausgezeichnete Sammlung erbrachte 572,38 Pfund für den 60.000-Pfund-Sonderfonds der WRP.