Beim Empfangsbuffet für Christine Buchholz (Marx 21) in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) am vergangenen Donnerstag gab es kein Brot, sondern Lachshäppchen und frischen Orangensaft. Dennoch fühlte sich ein kritischer Besucher der Veranstaltung (davon gab es nicht viele – nur „geladene Gäste“ und Vertreter der Presse waren willkommen) unweigerlich an die Redensart erinnert: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
Allein die Tatsache, dass die verteidigungspolitische Sprecherin der Linken und ein führendes Mitglied von Marx 21 in der DGAP zur deutschen Außen- und Verteidigungspolitik referiert, macht deutlich, wie tief die Linkspartei und die in ihr arbeitenden pseudolinken Tendenzen in den deutschen Imperialismus integriert sind und welche zentrale Rolle sie bei der Rückkehr Deutschlands zu einer aggressiven Außenpolitik spielen.
Die DGAP ist einer der größten und ältesten außenpolitischen Thinktanks in Deutschland. Sie wurde 1955 von den einflussreichen Bankiers Hermann Josef Abs und Robert Pferdmenges gegründet, die beide bereits unter den Nationalsozialisten Karriere gemacht hatten.
Laut Wikipedia zählt die DGAP „heute über 2500 Mitglieder, darunter führende Persönlichkeiten aus dem Bank- und Finanzwesen, der Wirtschaft, Politik, den Medien und der Wissenschaft“. Im Präsidium sitzt Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Geschäftsführer sind der Konzernchef Arend Oetker und der Diplomat Paul Freiherr von Maltzahn. Eines ihrer bekanntesten aktiven Mitglieder ist der amtierende deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Buchholz sprach im Rahmen der von der DGAP organisierten Reihe „Deutsche Verteidigungspolitik in neuer Verantwortung – die Fraktionssprecher positionieren sich“. Auf vorangegangenen Veranstaltungen hatten sich bereits die Sprecher der Regierungsfraktionen „positioniert“. Das erklärte Ziel der DGAP ist es, die Diskussion über eine neue Verteidigungs- und Militärstrategie für Deutschland voranzutreiben.
Im Ankündigungstext zur Veranstaltung heißt es: „2014 war ein Jahr großer sicherheitspolitischer Krisen in Europa und seiner Peripherie... Deutschland muss und will mehr Verantwortung in dieser konfliktreichen Welt übernehmen. Gleichzeitig sind die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr eklatant.“
Und weiter: „Die deutsche Verteidigungspolitik steht auf dem Prüfstand: Wie sollte ein verstärktes deutsches Engagement konkret aussehen? Haben wir das richtige verteidigungspolitische Mindset, um die Bedrohungen zu bewältigen? Wo stehen wir bei der Neuausrichtung der Bundeswehr? Hat sie die richtigen Fähigkeiten? Wie kann man der deutschen Öffentlichkeit die nötigen Veränderungen besser vermitteln? Können wir unseren Bündnisverpflichtungen nachkommen?“
Buchholz trat in der DGAP nicht als Gegnerin, sondern als Verbündete und Strategieberaterin des deutschen Imperialismus auf. Noch bevor sie mit ihrem eigentlichen Beitrag begann, betonte sie, dass auch mit der Linken eine Zusammenarbeit in außenpolitischen Fragen möglich sei.
„Ich sehe das nicht so eng, dass es da an gar keinen Stellen Überschneidungspunkte gibt“, sagte sie. Mit absoluten Aussagen könne sie wenig anfangen. Die Frage sei vielmehr, „wie man sich in konkreten Punkten verhält“, erklärte sie ihrem Publikum, das aus Vertretern aus Politik und Medien, hochrangigen Ministerialbeamten und einer ganzen Abordnung von Militärs in Zivil und in Uniform bestand.
Buchholz wurde mit warmem Applaus empfangen. Der Moderator der Veranstaltung, Henning Rieke, Leiter des Programms USA/Transatlantische Beziehungen bei der DGAP, pries Buchholz Biographie als „eine des Engagements in zahlreichen Projekten der Friedensbewegung, der Globalisierungsbewegung und anderen alternativen Politikfeldern“. Buchholz sei Gründungsmitglied der Linken und zuvor Mitglied in der WASG und in der SPD gewesen. Man könne sie nicht nur als Verteidigungspolitikerin, „sondern generell als eine einflussreiche Außenpolitikerin beschreiben“.
Buchholz Vortrag unter dem Titel „Neue Verantwortung statt alte Interessen“ unterstrich, welche spezifische Rolle die Linkspartei und Marx 21 in der außenpolitischen Wende spielen. Sie begleiten die Rückkehr des deutschen Militarismus mit „humanitären“ Argumenten, fordern eine unabhängigere Rolle Deutschlands von den USA und der NATO und spielen eine wichtige Rolle dabei, eine ganze kleinbürgerliche Schicht für die Rückkehr des deutschen Militarismus zu mobilisieren. Außerdem bieten sie den außenpolitischen Eliten Deutschlands ihre Dienste an, um pro-westliche Regierungen in strategisch und wirtschaftlich zentralen Regionen der Welt zu installieren.
Dies wurde vor allem in Buchholz‘ Ausführungen zu Russland deutlich. In der Verurteilung des russischen „Imperialismus“ – im Bezug auf Deutschland verwandte sie diesen Begriff nicht – und der angeblichen russischen Aggression in der Ukraine stellte sich Buchholz unverblümt hinter die aggressive Haltung der Bundesregierung.
„Während der westliche Imperialismus im Irak und Afghanistan stecken blieb“, dozierte sie, sei „der russische Imperialismus von neuem erwacht“. Im Jahr 2008 habe Russland „mit Georgien einem Verbündeten der NATO eine Niederlage“ zugefügt.
Ausdrücklich pflichtete sie der Verteidigungsministerin bei: „Frau von der Leyen sagte vorgestern [bei der Auftaktveranstaltung Weißbuch 2016]: die ‚neue Politik des Kreml hat schon lange vor Ukrainekrise begonnen‘. Das stimmt.“ Das russische Vorgehen entspreche „dem einer Großmacht, die ihre Interessen mit Machtmitteln durchsetzt“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Dann stellte Buchholz die Strategie der Linkspartei vor: „Es ist offensichtlich, dass Putin auf die Anwendung militärischer Gewalt setzt. Dafür hat die Linke kein Verständnis. Doch die Eskalation des Konflikts – und darauf läuft die Antwort der NATO hinaus – ist genauso wenig eine Antwort. Die Lösung kann nur von Innen kommen.“
Sie fügte hinzu: „Antimilitarismus in Russland ist die Antwort auf den Militarismus Putins. Aber diese Stimmen werden marginalisiert, solange Putin seine Eskalationspolitik mit dem Fingerzeig auf NATO, EU und ihre Verbündeten begründen kann.“
Mit anderen Worten: Buchholz rät den deutschen Eliten, Russland von Innen her zu zersetzen, um ihre imperialistischen Interessen zu verfolgen, anstatt vorrangig auf eine militärische Konfrontation zu bauen. Die von ihr geforderte Unterstützung des „Antimilitarismus“ in Russland ist lediglich ein anderer Ausdruck für die Förderung einer Farbenrevolution, wie sie die westlichen Mächte bereits in Georgien, der Ukraine und anderswo organisiert und finanziert haben.
Bereits beim Umsturz in der Ukraine vor einem Jahr hatten Marx 21 und andere Teile der Linkspartei zusammen mit den Grünen, den Regierungsparteien und den Parteistiftungen eine zentrale Rolle gespielt. Sie feierten den rechten Putsch als „demokratische Revolution“ und verteidigten die Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften, die den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch aus dem Amt jagten.
Während der Auseinandersetzungen in Kiew hatte Marx 21 auf ihrer Website ein Interview mit Ilja Budraitskis, einem Mitglied der pseudolinken Russischen Sozialistischen Bewegung veröffentlicht, der die Faschisten als die „mutigsten und buchstäblich kämpferischsten Teile der Bewegung“ pries. Keiner gehe „so offensiv gegen die Polizei vor wie die Ultra-Rechten“. Auf die Frage, ob er mit „Nazis diskutieren“ wolle, antwortete Budraitskis: „Vielleicht mit manchen.“
Mit ihrem Vorschlag, im Namen von „Freiheit und Demokratie“ und des „Kampfs gegen den russischen Imperialismus“ einen Regimewechsel in Russland herbeizuführen, stellte sich Buchholz in die anti-russische Kontinuität des deutschen Imperialismus und der DGAP. Kurz nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 hatte Hermann Josef Abs, der nach dem Krieg die DGAP mit gegründet hatte und von 1957 bis 1967 Vorstandsprecher der Deutschen Bank war, in einem flammenden persönlichen Schreiben den Krieg gegen die Sowjetunion als Kampf „gegen den größten Feind aller Freiheit und Menschlichkeit“ bezeichnet.