In einer außerordentlichen Parlamentssitzung erließ die Labour-Regierung am Samstag, den 12. April, einen Notstandserlass, um die Kontrolle über den Stahlkonzern British Steel, bisher im Besitz des chinesischen Unternehmens Jingye, zu übernehmen und zum Weiterbetrieb zu zwingen.
Die Minister haben bestätigt, dass das Werk in Scunthorpe mit 3.500 Beschäftigten wahrscheinlich wieder verstaatlicht wird.
Das neue Gesetz über Sondermaßnahmen für die Stahlindustrie – der Steel Industry (Special Measures) Act – gibt der Regierung die Befugnis an die Hand, über British Steel und alle anderen Stahlunternehmen in Großbritannien die Kontrolle zu übernehmen, „notfalls mit Gewalt“. Sie kann die Bereitstellung von Rohmaterial zur Stahlherstellung anordnen und die Bezahlung der Beschäftigten anweisen. Verstöße gegen dieses Gesetz können mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Die staatliche Übernahme dieses Werks ist ein zentraler Bestandteil der Kriegspolitik der Labour-Regierung, die sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China richtet. Bei ihrer Amtsübernahme hat die Regierung versprochen, einen „Neustart“ mit China zu machen, aber die Allianz zwischen Starmer und Trump hat dieses Vorhaben zunichte gemacht. Der faschistische US-Präsident hat einen Handelskrieg mit Peking vom Zaun gebrochen, der zu einem offenen militärischen Konflikt führen kann.
Um die Übernahme des Betriebs in Scunthorpe zu ermöglichen, musste Premierminister Sir Keir Starmer das Parlament zum ersten Mal seit 40 Jahren am ersten Samstag der Osterpause zurückrufen, um den Gesetzesentwurf zu verabschieden. Die Abgeordneten hatten erst 90 Minuten vor Beginn der Debatte Einblick in das Gesetz, das alle Lesungen und Phasen, die normalerweise Monate dauern, durchlief, ehe es in nur sechseinhalb Stunden die königliche Zustimmung bekam.
Der Grund für dieses hastige Vorgehen war, dass Jingye kurz davor stand, die beiden Hochöfen des Werks stillzulegen. Die Konzernleitung weigerte sich, für mehr Rohstoffe, ob Kokskohle oder Eisenpellets, zu zahlen, um die Anlage in Scunthorpe, die einen Verlust von 700.000 Pfund pro Tag verzeichnet, länger offen zu halten.
Die Schließung der Hochöfen hätte bedeutet, dass innerhalb Großbritanniens zum ersten Mal seit der industriellen Revolution kein Primärstahl mehr produziert werden könnte. Das hätte den ausschließlichen Import eines Rohstoffs erforderlich gemacht, ohne den kein Krieg geführt werden kann. Großbritannien wäre das einzige Land der G7 geworden, das nicht in der Lage ist, Stahl im eigenen Land von Grund auf herzustellen.
Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds sagte am Sonntag: „Ohne das entschlossene Handeln der Regierung gestern wäre alles verloren gewesen.“
British Steel, nicht zu verwechseln mit dem einstigen Staatskonzern, wurde 2016 gegründet, nachdem Tata Steel seine verlustbringende Langproduktesparte für eine geringe Gebühr an den Finanzinvestor Greybull Capital verkauft hatte. Nachdem das Unternehmen 2019 nach gescheiterten Rettungsgesprächen mit der damaligen konservativen Regierung in die Insolvenz gegangen war, blieb es in der Zwangsverwaltung, bis es 2020 für 70 Millionen Pfund von der Jingye Group aufgekauft wurde. Das Unternehmen war jedoch nicht in der Lage, Stahl mit Gewinn zu produzieren, und kündigte im März an, dass das Werk geschlossen werde.
Am 10. April erklärte Starmer: „Arbeitsplätze, Investitionen, Wachstum, unsere wirtschaftliche und nationale Sicherheit stehen auf dem Spiel.“ Die Erwähnung von Arbeitsplätzen ist jedoch bloß zynische Rhetorik von einem Regierungschef, der vorhat, hunderttausende Stellen durch brutale Sparmaßnahmen zu vernichten. Seine eigentliche Botschaft, die von allen Abgeordneten verstanden wurde, lautete, dass es sich um eine Frage der nationalen Sicherheit handele.
Im Parlament lamentierte Wirtschaftsminister Reynolds, dass die Regierung als Anreiz 500 Millionen Pfund geboten habe, wenn Jingye das Werk offen halte. Es sei jedoch klar geworden, dass Jingye sich weigerte, genügend Rohstoffe einzukaufen, um die Hochöfen am Laufen zu halten. „Das Unternehmen hätte daher die primäre Stahlproduktion bei British Steel unwiderruflich und einseitig eingestellt.“
Die Verabschiedung des Stahlindustriegesetzes stellt eine direkte Bedrohung für die demokratischen Rechte dar und ist ein Vorbote dessen, was kommen wird, wenn Wirtschaft und Gesellschaft kriegsbereit gemacht werden. Reynolds erklärte: „Der Gesetzentwurf spiegelt im Großen und Ganzen die Situation wider, die gelten würde, wenn der Civil Contingencies Act 2004 in Kraft getreten wäre“, ohne dass wir „die Schwelle für die Auslösung dieses Gesetzes erreicht haben.“
Das von der Labour-Regierung eingeführte Gesetz über zivile Notfälle verleiht der Regierung weitreichende Befugnisse, darunter die Möglichkeit, Ausgangssperren, Reiseverbote, die Beschlagnahme von Eigentum und den Einsatz der Streitkräfte zur Niederschlagung von Unruhen zu verhängen. Sobald es in Kraft tritt, kann es für maximal 21 Tage zur Änderung jedes Gesetzes des Parlaments, mit Ausnahme des Menschenrechtsgesetzes, verwendet werden.
Der Sprecher und ehemalige Labour-Abgeordnete Sir Lindsay Hoyle ließ keine Änderungen des Gesetzesentwurfs zu, obwohl die Oppositionsparteien acht solche Änderungen vorbereitet hatten. Die Regierung fügte dem Gesetzentwurf auch keine Verfallsklausel mit einem Ablaufdatum oder sogar Klauseln für eine nachgesetzliche Überprüfung bei – wie es normalerweise für Notstandsgesetze erforderlich ist – und sie gab keinerlei Gründe dafür an.
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Die nationalistische Rhetorik während der Debatte über den Gesetzentwurf hielt auch noch am nächsten Tag an, als bekannt wurde, dass die Royal Navy in Alarmbereitschaft versetzt wurde, um eine Brennstofflieferung zu den Hochöfen von Scunthorpe zu eskortieren.
Inmitten zahlreicher Aussagen, die Jingye vorsätzliche Sabotage vorworfen, räumte Reynolds am Sonntag teilweise die enormen Kosten für die Offenhaltung des Werks ein. Er berichtete: „Die jährlichen Verluste, die Nettoverluste, betrugen im letzten Jahresabschluss 233 Millionen Pfund.“ Allerdings wird ein Neubau der veralteten Hochöfen, die für die Produktion von Primär- und Rohstahl unerlässlich sind, etwa 6 Milliarden Pfund kosten.
Tatsächlich haben mehrere Faktoren dafür gesorgt, dass die Stahlproduktion in Großbritannien unrentabel ist. An erster Stelle stehen dabei die enormen Stromkosten. Der China-feindliche ehemalige Vorsitzende der Konservativen Partei, Ian Duncan Smith, beklagte in der Debatte: „China hat mit seinen Subventionen und gebrochenen Regeln des freien Marktes [Energie] zu einem Preis von 60 Dollar pro Megawattstunde produziert (...) Unser Problem ist wirklich ziemlich krass. Unsere Industrie steht nicht nur im Wettbewerb mit China: Selbst die Kosten in Europa sind jetzt weitaus geringer als hier. Ich werde eine kurze Liste nennen. Die Kosten im Vereinigten Königreich sind jetzt mit 400 US-Dollar pro Megawattstunde die höchsten der Welt. Deutschland, das die höchsten Kosten im übrigen Europa hat, liegt bei 250 US-Dollar pro Megawattstunde, während Frankreich und alle anderen niedrigere Kosten für die Energieerzeugung haben.“
Die Entscheidung der Regierung, ein de facto zusammengebrochenes Stahlunternehmen zu übernehmen, lässt sich aus Sicht des britischen Kapitalismus nicht rational erklären. Aber die Starmer–Regierung betrachtet den Verlust der Fähigkeit, innerhalb der britischen Grenzen Stahl zu produzieren, als unvereinbar mit einem riesigen Wiederaufrüstungsprogramm und der Fähigkeit des britischen Imperialismus, Kriege zu führen.
Aus diesem Grund waren sich Labour-Abgeordnete und oppositionelle Tory- und Liberaldemokraten in der Debatte am Samstag darin einig, dass Großbritannien den Konflikt mit China verschärfen müsse.
Es war erst das sechste Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dass das Parlament extra einberufen wurde. Die letzte Einberufung fand 1982 statt, als die konservative Premierministerin Margaret Thatcher sich darauf vorbereitete, die Royal Navy in den Kampf gegen Argentinien um den Krieg um die Malwinen (Falklandinseln) zu schicken.
Die Gewerkschaftsbürokratie schloss sich schnell an. Am Sonntag begrüßte die Gewerkschaft Community das Hausverbot für Jingye-Führungskräfte in Scunthorpe, das die Regierung am Vortag erlassen hatte. Community führt zusammen mit den anderen Stahlgewerkschaften eine nationalistische Kampagne „Save Our Steel“ (Rettet unseren Stahl), zunächst erfolglos in Port Talbot (Wales) und nun in Allianz mit der Starmer–Regierung. Community erklärte: „Jingye hat sich nicht ernsthaft mit den Gewerkschaften beraten und muss jetzt den Weg frei machen, um all jenen Platz zu machen, die British Steel zum Erfolg verhelfen wollen.“
Der Vorsitzende des Trades Union Congress (TUC), Paul Nowak, erklärte: „Die heutige Ankündigung ist der erste Schritt, um sicherzustellen, dass wir die Stahlproduktion in diesem Land modernisieren und dekarbonisieren werden. So werden wir unsere Abhängigkeit von ausländischen Importen verringern und sicherstellen, dass wir auf globaler Ebene wettbewerbsfähig bleiben.“
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