David North würdigt Wije Dias

In diesem Beitrag würdigt David North, Vorsitzender der Socialist Equality Party (US), das Leben und Werk des langjährigen Vorsitzenden der SEP in Sri Lanka. Die Ansprache wurde per Video nach Colombo übertragen. Genosse Wije ist am 27. Juli 2022, nur einen Monat vor seinem 81. Geburtstag, an einem Herzinfarkt gestorben. Der Bericht über die Beisetzung ist hier zu finden.

David North

Liebe Genossen,

ich bedaure, dass ich nicht bei euch in Colombo sein kann, um an der Beisetzung von Genossen Wije Dias teilzunehmen. Doch die räumliche Entfernung mindert weder das tiefe Gefühl des Verlusts, das wir heute empfinden, noch schwächt sie die starken Bande der Solidarität zwischen den Mitgliedern des Internationalen Komitees auf der ganzen Welt und der Sektion in Sri Lanka, die Genosse Wije in den letzten 35 Jahren, also ein Drittel Jahrhundert lang, geführt hat.

Alle, die sich heute hier versammelt haben, um von Wije Dias Abschied zu nehmen, sind sich bewusst, dass sie einem historischen Ereignis beiwohnen. Es besteht kein Zweifel, dass Wije Dias im Kampf für den Aufbau der trotzkistischen Bewegung sechzig Jahre lang eine monumentale Rolle gespielt hat. Eine Biografie Wijes wird unweigerlich die gesamte moderne Geschichte Sri Lankas umfassen. Er war 22 Jahre alt, als die Lanka Sama Samaja Partei die marxistisch-trotzkistischen Prinzipien ihrer Gründungszeit verriet und in die bürgerliche Koalitionsregierung unter Bandaranaike eintrat. Die verbleibenden 58 Jahre seines Lebens widmete Wije der Überwindung der tragischen Folgen dieses Verrats und der Wiederherstellung der Autorität des wahren revolutionären Trotzkismus in der Arbeiterklasse.

Wije und ein herausragender Kader junger Trotzkisten, angeführt von Keerthi Balasuriya, gründeten 1968 die Revolutionary Communist League, die Vorläuferpartei der Socialist Equality Party. Bei der Verteidigung der trotzkistischen Prinzipien war die RCL gezwungen, wie Trotzki solche Umstände einmal beschrieb, „gegen den Strom zu schwimmen“. Aber Wije, Keerthi, Ratnayake und ihre Genossen taten dies mit einem unerschütterlichem Vertrauen in die Kraft der historischen Wahrheit, in die Richtigkeit der Perspektive und des Programms der Vierten Internationale und in die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse in Sri Lanka und auf der ganzen Welt.

Wije war ein außerordentlich bescheidener Mann, der – soweit ich mich erinnere – nie Anstalten gemacht hat, seinen eigenen Beitrag zur Führung der Partei herauszustellen. Doch als die RCL vom frühen Tod von Genossen Keerthi am 18. Dezember 1987 getroffen wurde, stellte sich Wije der Verantwortung für die Führung der Revolutionary Communist League. Er übernahm den Posten des nationalen Sekretärs inmitten des blutigen Kriegs, den das Regime in Colombo gegen die tamilische Bevölkerung führte. Nie schwankte die RCL-SEP unter seiner Führung in ihrer Opposition zum singhalesischen Rassismus des Regimes in Colombo und der JVP. Zugleich machte sie keinerlei Zugeständnisse an den kleinbürgerlichen Nationalismus der LTTE.

Während praktisch seiner gesamten politischen Arbeit musste Genosse Wije unter Bedingungen kämpfen, in denen die reaktionären Kräfte in der Offensive waren und sich die Arbeiterklasse – verraten von der LSSP, den Gewerkschaften und anderen opportunistischen Organisationen – auf dem Rückzug befand.

Der nationale Vorsitzende der SEP (Sri Lanka), Wije Dias

Doch in den letzten Monaten seines Lebens wurde Genosse Wije Zeuge eines neuen Aufschwungs der Arbeiterklasse. Mit Begeisterung begrüßte er die Gelegenheit, gegen die herrschende Klasse in die Offensive zu gehen. Trotz seines verschlechterten Gesundheitszustands nahm Wije all seine verbliebenen Kräfte zusammen und griff auf seine große Erfahrung zurück, um der mächtigen spontanen Bewegung eine politische Führung zu geben.

Noch am 9. Juli nahm Genosse Wije an einer Sitzung des Politischen Komitees der Socialist Equality Party teil, um eine Antwort auf die Krise der Rajapaksa-Regierung zu formulieren. Er sprach sich mit Macht gegen jede politische Unterstützung für eine kapitalistische Übergangsregierung aus und plädierte dafür, dass die Partei zu einem demokratischen und sozialistischen Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen aufruft, um die Grundlage für den Übergang der Staatsgewalt an die Arbeiterklasse zu schaffen.

Die letzten Tage seines Lebens verbrachte Wije damit, in enger Zusammenarbeit mit dem Politischen Komitee und dem Internationalen Komitee die wichtige programmatische Erklärung zu verfassen, die am 20. Juli 2022 auf der World Socialist Web Site veröffentlicht wurde. Die darin dargelegte Begründung, weshalb die SEP es strikt ablehnt, eine „Übergangsregierung“ zu unterstützen oder sich daran zu beteiligen, beruht auf lebenslanger politischer Erfahrung:

Bei ihrer Weigerung, an den Gesprächen über die Bildung einer Übergangsregierung teilzunehmen, stützte sich die SEP auf die politischen Lehren aus dem katastrophalen Verrat, den die Lanka Sama Samaja Party 1964 an den politischen Prinzipien des Trotzkismus begangen hat. In der damaligen wirtschaftlichen und politischen Krise und angesichts der mächtigen Bewegung der Arbeiterklasse für ihre „21 Forderungen“ wandte sich Premierministerin Sirima Bandaranaike, die Vorsitzende der bürgerlichen Sri Lanka Freedom Party, an die Führer der Lanka Sama Samaja Party (LSSP), um die kapitalistische Herrschaft zu stützen. Der Eintritt der LSSP in die singhalesisch-chauvinistische Regierung von Bandaranaike bedeutete nicht nur das Ende der Bewegung der „21 Forderungen“. Er demoralisierte die Massen, förderte Spaltungen zwischen Sprach- und Volksgruppen auf Kosten des Klassenkampfs und ebnete den Weg für reaktionäre Konflikte innerhalb der Bevölkerung und jahrzehntelange Bürgerkriege.

Die SEP hat nicht den Weg des Verrats der LSSP eingeschlagen und wird dies auch niemals tun. Wir lehnen jede direkte oder indirekte Unterstützung kapitalistischer Regierungen ab. Die Vorgängerin der SEP, die Revolutionary Communist League, wurde 1968 als Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in direkter Opposition zur Politik der LSSP gegründet, die den sozialistischen Internationalismus und eine unabhängige Klassenpolitik und damit die Säulen des Kampfs um die Arbeitermacht zurückwies.

In der letzten politischen Erklärung, die sie unter Wijes Führung nur sieben Tage vor seinem Tod abgab, schrieb die Socialist Equality Party:

Besonders appellieren wir an die Arbeiter in Indien, in ganz Südasien und weltweit, gemeinsam für eine sozialistische Zukunft der Menschheit zu kämpfen. Wir rufen militante Arbeiter und Jugendliche in Sri Lanka auf, sich der SEP anzuschließen und sich in den revolutionären Kampf für sozialistischen Internationalismus einzureihen.

Es ist angemessen, dass Genosse Wije sein langes Leben mit einem eindrucksvollen Aufruf zum „revolutionären Kampf für sozialistischen Internationalismus“ beendet hat.

Genosse Wije Dias starb mitten im Kampf, wobei er im hohen Alter mit unverminderter Leidenschaft für die Ideale seiner Jugend focht. Sein Vermächtnis – sein Mut, sein Einsatz für trotzkistische Prinzipien und seine Treue zum Sozialismus – wird der Arbeiterklasse in den großen Klassenkämpfen, die über das Schicksal der Menschheit entscheiden werden, als inspirierendes Vorbild dienen.

Es lebe das Gedenken an Wije Dias!

Es lebe die Socialist Equality Party in Sri Lanka!

Es lebe das Internationale Komitee der Vierten Internationale!

David North

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