Ein Amokläufer tötete am 21. Dezember an der Philosophischen Fakultät der Prager Karls-Universität 14 Menschen und verletzte 25 weitere zum Teil schwer. Laut Polizeiangaben nahm sich der Täter anschließend selbst das Leben.
Mittlerweile wurden die Opfer des Amoklaufs identifiziert. Es handelt sich dabei um Studenten und Angestellte der Universität. Unter anderem befinden sich unter den Getöteten die Leiterin des Instituts für Musikwissenschaft der Karls-Universität, Lenka Hlavkova, und der Übersetzer und Experte für finnische Literatur, Jan Dlask. Auch eine Mitarbeiterin, die an der Universität Gebärdensprache studierte, soll sich laut einem Zeitungsbericht unter den Opfern befinden.
Einen Tag vor Weihnachten wurde in Gedenken an die Toten Staatstrauer verhängt. An öffentlichen Gebäuden wehten Fahnen auf Halbmast und um zwölf Uhr mittags rief die Regierung zu einer Schweigeminute auf. Im ganzen Land läuteten die Kirchenglocken, ein Großteil der Adventsveranstaltungen in der Hauptstadt wurde abgesagt.
Vor allem an der Karls-Universität stehen Studierende und Angestellte noch immer unter Schock. Die 1348 gegründete Universität zählt zu den ältesten in Europa. Bekannte Persönlichkeiten wie Franz Kafka und Rainer Maria Rilke studierten hier. 1911 erhielt Albert Einstein eine Professur an der Institution.
Während nach wie vor zahlreiche Fragen ungeklärt sind, steht außer Frage, dass es sich um den schlimmsten Mordanschlag der jüngeren Vergangenheit in Tschechien handelt. In den vergangenen Tagen gab die Polizei einiges zum bisher bekannten Tathergang sowie zum Täter selbst bekannt.
Der 24-jährige Geschichtsstudent David Kozák hatte am Donnerstagnachmittag das Feuer im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät am Jan-Palach-Platz offenbar wahllos auf Anwesende eröffnet. Nach Erkenntnissen der Polizei erschoss er sich anschließend selbst, allerdings muss die Obduktion dies noch bestätigen.
Gegen 15 Uhr habe es erste Informationen über Schüsse gegeben, eine schnelle Einsatzgruppe sei nach zwölf Minuten vor Ort gewesen. Der Täter schoss im Gebäude um sich, war aber auch auf einer Galerie unter dem Dach zu sehen, von der aus er mit einem Gewehr mit Zieloptik auf Passanten auf der Straße schoss und einige verletzte.
Studenten und Mitarbeiter der Universität teilten in den sozialen Medien mit, dass sie sich in Hörsälen und Büros verbarrikadiert hätten. Einige kletterten aus dem Fenster, um dem Amokläufer zu entgehen. Einige Augenzeugen berichteten auch von einer Explosion, die zu hören gewesen sei. Die Leiche des Täters befand sich am Schluss auf einem der Balkone, wo ihn Sicherheitskräfte umstellt hatten.
Bereits vor der Tat in der Karls-Universität hatte David Kozák vermutlich seinen Vater ermordet. Am Donnerstagmittag fand die Polizei in der Kleinstadt Hostouň westlich von Prag dessen Leiche. Kozák hinterließ in seinem Elternhaus eine Sprengfalle, die jedoch nicht ausgelöst wurde.
Kurz davor war die Polizei von Kozáks Mutter alarmiert worden, sie habe von einem Freund die Nachricht erhalten, ihr Sohn sei auf dem Weg nach Prag und plane, sich das Leben zu nehmen. Daraufhin wurde die Fahndung eingeleitet und ein Universitätsgebäude in der Celetná-Straße evakuiert und durchsucht, in dem er an diesem Tag eine Vorlesung besuchen sollte. Noch während der Durchsuchung ging die Meldung über Schüsse im Hauptgebäude ein.
Der Prager Polizeidirektor Petr Matějček bestätigte, dass es darüber hinaus wahrscheinlich eine Verbindung zu einem weiteren Mord gibt. Ein 32 Jahre alter Mann und sein zwei Monate altes Baby waren in einem Waldstück am Rande Prags sechs Tage zuvor erschossen aufgefunden worden. Es gebe eindeutige Indizien, dass David Kozák auch hier der Täter war, so Matějček. Die abschließenden Untersuchungen stehen aber noch aus.
Über den Täter gibt es wenig Erkenntnisse. Er war nicht vorbestraft, aber offenbar ein Waffennarr. Er besaß einen Waffenschein und laut Medienberichten legal zwölf Schusswaffen, darunter mehrere Pistolen, eine Schrotflinte, ein halbautomatisches Gewehr und vier Schalldämpfer. Laut einem Polizeibericht brachte er außerdem einen Koffer mit Munition in das Universitätsgebäude.
Aus Ermittlerkreisen hieß es, der Täter habe sich möglicherweise von Amokläufen in anderen Ländern inspirieren lassen. Laut Berichten in lokalen Medien schrieb er auf Telegram, er hasse die Welt und wolle so viel Schmerz wie möglich hinterlassen. An der Echtheit des Posts gibt es allerdings auch erhebliche Zweifel.
Aus den bisherigen Erkenntnissen lassen sich die Motive des Studenten nicht eindeutig klären. Auch seine offenbar massiven psychischen Probleme erklären diesen brutalen Gewaltausbruch nur oberflächlich. Taten wie dieser, die immer häufiger vorkommen, liegen tiefere gesellschaftliche Ursachen zugrunde, die von Politik und Medien systematisch ausgeblendet werden.
Überall in Europa kam es in den letzten Jahren zu grauenhaften Amokläufen mit Dutzenden Toten. Auch Tschechien erlebt solche Gewaltausbrüche immer häufiger. Im Februar 2015 erschoss ein 63-jähriger Mann in Uherský Brod im Südosten des Landes acht Menschen in einem Restaurant, bevor er sich selbst das Leben nahm. 2019 erschoss ein Amokläufer sechs Menschen in einem Krankenhaus in Ostrava. Im August 2020 tötete ein Mann in Bohumín elf Personen, darunter auch mehrere Familienmitglieder, durch Brandstiftung.
Dies geht einher mit einer enormen Brutalisierung der Gesellschaft. Während die Regierung und das Staatsoberhaupt öffentlich die Opfer des Amoklaufs beklagen, stehen sie vollständig hinter dem Krieg der Nato gegen Russland und dem Massaker an der palästinensischen Bevölkerung im Gaza-Streifen.
Der ehemalige NATO-General und jetzige Staatspräsident Petr Pavel fordert seit Langem ein härteres Vorgehen gegen Russland, ungeachtet der möglichen Konsequenzen.
Noch deutlicher zeigt sich die Verachtung menschlichen Lebens in der Haltung der Regierung zum Genozid in Gaza. Als die UN-Vollversammlung Mitte des Monats für einen humanitären Waffenstillstand in Gaza votierte, stimmte Tschechien neben Israel und den USA als eines von wenigen Ländern dagegen. Premierminister Petr Fiala von den rechten Bürgerdemokraten sprach sich sogar ausdrücklich gegen „humanitäre Pausen“ aus, er bekräftigt seit Wochen seine bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung.
Kurz vor Weihnachten wurde das neue Verteidigungskonzept des tschechischen Militärs vorgestellt, das auf der bereits beschlossenen Erhöhung des Militärbudgets auf mindestens zwei Prozent des BIP beruht.
Militärvertreter haben deutlich gemacht, dass dies für die gesteckten Zielen nicht ausreichen werde. Bis 2030 sollen 60 Prozent des Verteidigungsbudgets in die Anschaffung neuer Waffensysteme modernster Bauart fließen. Bis 2035 soll dies abgeschlossen sein und die Armee auf 30.000 Soldaten und 10.000 Reservisten aufgestockt werden.